Wichtige Kastrationen – Die Geschichte unserer armen Miss Marple

Eine unserer Pflegestellen erzählt von unserer Miss Marple – dem besten vierbeinigen Grund früh zu kastrieren (von Andrea Räcke)

Über Frühkastrationen oder „Da kann noch nix passieren, die sind doch noch so klein!“ und die Risiken einer Teenagerträchtigkeit:

Ich möchte euch etwas über Miss Marple erzählen. Miss Marple war eine Pflegekatze von mir, die draußen herumstreunte. Nette Menschen hatten die außerdem stark humpelnde Mieze eingesammelt und sich an unseren Verein gewandt.

Miss Marple war nicht gechipt, nicht tätowiert und auf entsprechende Anzeigen meldete sich auch niemand.

Miss Marple war eindeutig tragend und anhand der Milchleiste war gut zu erkennen, dass es nicht mehr lange bis zum Geburtstermin dauerte. Außerdem sah man hin und wieder Bewegungen der Babys im Bauch.

Natürlich ging es erst mal zum Tierarzt. Wegen des starken Humpelns wurde Miss Marple geröntgt – beide Vorderbeine wiesen komplizierte, schlecht verheilte Brüche auf. Es besteht die starke Vermutung, dass ihre Verletzungen von einem Sturz aus großer Höhe herrührten. Solche Verletzungen sind der Grund, warum wir auf einem gesicherten Balkon bei Wohnungshaltung bestehen.

Auf dem Throraxröntgenbild zählten wir 4 – 5 Kitten. Und es war definitiv zu spät für einen Abbruch.

Im Ultraschall sahen alle Kitten gut entwickelt und gesund aus, aber schon da meinte die Tierärztin: „Hoffentlich sind sie nicht zu groß, die Katze ist doch sehr klein und scheint noch sehr jung.“

Der Zahnstatus war dann erschreckend … abgesehen von 2 abgebrochenen Zähnen hatte Miss Marple auch noch Milchzähne – sie war mitten im Zahnwechsel. Also etwa 6 Monate alt!

Auf Grund des Entwicklungsstadiums der Kitten – es blieb noch etwa eine Woche bis zur Geburt – war uns klar:

Miss Marple wurde mit 4 Monaten gedeckt!

Vier Monate, Ihr Lieben!

Leider sind viele Tierärzte – die offensichtlich in den letzten 10 Jahren einige Studien nicht gelesen haben – immer noch der Meinung, dass man nicht vor dem 6. Monat kastrieren sollte und die Katzen noch gar nicht zeugungsfähig sind.

Oder gar, dass die Katze mindestens einmal rollig gewesen sein soll.

Junge Katzen können auch still rollen. Man merkt es ihnen nicht an. Aber sie sind bereits aufnahmefähig.

Zurück zu Miss Marple: Ich richtete also alles für die Geburt ein – wohl wissend, dass wir es mit einer Risikogeburt zu tun haben.

In dem Alter ist das Becken noch sehr eng. Bei normal entwickelten Kitten – wie Miss Marple sie trug – kommt es daher sehr oft zu Komplikationen. Kitten können im Geburtskanal stecken bleiben, es kann zu heftigen Blutungen bei der Mama kommen und sehr häufig bleibt dann nur noch der Notfallkaiserschnitt.

Dazu kommt, dass so junge Katzen häufig mit einem Wurf Kitten überfordert sind und sich dann nicht um die Kleinen kümmern oder sie im schlimmsten Fall aus lauter Stress töten können.

Eine Woche später hatte Miss Marple Wehen. Aber es passierte nichts. Tierklinik angerufen – bei Erstgebärenden kann es länger dauern bis das erste Kitten kommt. Da könne locker 12 Stunden dauern. 4 Stunden später bin ich dann doch mit Miss Marple in die Klinik gefahren, denn sie sah nicht gut aus. Sie fraß noch und alles… aber irgendwie…

Mein Gefühl bestätigte sich. Das Becken war zu eng, die Babys zu groß und zusätzlich dazu gab es noch einen unentdeckten Bruch am Becken, der die Geschichte zusätzlich erschwerte.

Es wurde also ein Notfallkaiserschnitt durchgeführt. Für die, die „wenigstens einmal Kitten von ihrer Katze haben wollen – legt für den Notfall schon mal etwa 1.400 Euro auf Seite…

Miss Marple überlebte.

Ihre sechs völlig gesunden, komplett entwickelten und mit einem guten Gewicht ausgestatteten Babys nicht. Sie hatten sich bereits im viel zu engen Geburtskanal aufgereiht. Mit jeder Wehe wurden sie immensem Druck ausgesetzt. Dazu die Narkose für Miss Marple, die natürlich auch bei den Kitten ankommt. Man hat 4 Stunden um die Kleinen gekämpft. Jedes hatte einen TA bzw. eine Tierarzthelferin, die versucht haben mit Rubbeln, Kreislauf stabilisierenden Mitteln und Sauerstoff die Kleinen zu stabilisieren. Leider sind dann alle fast gleichzeitig kollabiert. Eins schien es zu schaffen. Und da kam die Sache ins Spiel, die ich oben erwähnt habe – es wurde Miss Marple angelegt, in der Hoffnung, dass durch Belecken und Trinken das Kleine stabiler werden würde.

Miss Marple hat es gebissen. Ob sie versucht hat das Kleine – unerfahren wie sie war – aufzunehmen oder ob sie es aus Stress töten wollte, konnten mir die Tierärzte nicht sagen. Sie haben es noch genäht und versucht es zu retten – aber es kollabierte dann auch.

Miss Marple hatte wahnsinnig viel Milch, aber keine Kitten in der Nähe, die eine Amme gebraucht hätten. Sie bekam Mittel, um die Milchproduktion zu stoppen und Antibiotika. Ich kühlte die Milchleiste und trotzdem entzündete sich das Gesäuge so heftig, dass sich darunter Abszesse bildeten und eines morgens ein Teil der Milchleiste in Fetzen hing.

Wieder eine Op. Wieder 500 Euro. Auch das überlebte Miss Marple, trotz hohem Fieber.

Und die Moral von der Geschichte?

Tierärzte die erzählen, dass Katzen mit vier Monaten noch nicht rollig und trächtig werden können, erzählen Stuss und riskieren damit das Leben ihrer Patienten und deren Nachwuchs.

Mal abgesehen davon, dass es mehr als genug Kitten gibt, die kein Zuhause finden. Unser Verein hat Schwierigkeiten, die Menge an Kitten, die uns das Jahr 2016 bescherte, zu vermitteln. Mit sechs Monaten sind sie den Leuten manchmal schon zu alt und die Kleinen entwickeln sich zu „Ladenhütern“.

Seid bitte nicht Teil des Problems sondern kastriert bitte eure Katzen – und zwar früh genug!

Andere Länder zeigen erfolgreich seit Jahrzehnten, dass Frühkastration nicht nur machbar ist, sondern dass alle angeblichen Nachteile (wachsen angeblich nicht mehr, Harnröhre bleibt verkürzt, Verhaltensprobleme etc) widerlegt sind.

Auf den Bildern ist die hoch tragende Miss Marple. Und eins zeigt uns ihre Babys.

Miss Marple sucht übrigens immer noch ein behindertengerechtes Zuhause. Leider ist sie ziemlich dominant, weswegen sie nur bedingt mit anderen Katzen verträglich ist.

Ihre ausführliche Geschichte kann man hier nachlesen.

MissMarple hat ein liebevolles Zuhause gefunden.